Beitragvon Gead » 5. Januar 2011, 13:11
Hallo André,
gut, dass sich wenigstens noch ein paar "berufen" fühlen, sich zu diesem Thema zu äußern (siehe auch den Beitrag von Ernst-Jürgen Ridder weiter unten). Und Danke für deine Reaktion.
Ich hatte - nach meinem ersten Beitrag - schon überlegt ein paar Passagen zu ergänzen und genauer zu erläutern. Besser ist es aber natürlich, wenn man von einem anderen Diskussionsteilnehmer eine (kritische) Rückmeldung bekommt. Ansonsten sind bzw. wären Diskussionen ja nicht der weiteren Rede wert.
Doch nun zu deinen Anmerkungen:
Als "pervers" verstehe (und bezeichne) ich in diesem Zusammenhang Dinge, die eben nicht mehr ihrem vorgegebenen Zweck dienen. Demnach ist ein Feuerwerkskörper für mich kein Spielzeug. Das Gleiche gilt für eine Pistole (für Kinder!). Von pervers im Sinne von "entartet" oder "krankhaft" möchte ich hier aber nicht sprechen, denn das führt assoziativ in die falsche Richtung. "Verantwortungslos" ist sicher unmissverständlicher und trifft es vielleicht besser.
Doch eine "Spielzeug"-Pistole ist für mich leider eine beschönigende Bezeichnung für Etwas, das KEIN Spielzeug im idealen Sinne ist. Hierdurch rechtfertigt sich eine (vormals und in ihren Wurzeln kriegerische) Gesellschaft m. E. selbst. Es ist zwar schon so, dass man mit einer so genannten Spielzeug-Pistole niemanden ernsthaft verletzen kann und die (mitunter grausame) Realität damit "nur" nachgespielt wird. Aber, die Übergänge sind fließend: von der Pistole zu Fasching, zu Gotcha mit Farbpatronen, zum Luftgewehr im Schützenverein. Von Spiel zu Sport - zu Amoklauf. Das Eine muss nicht zwangsläufig das Andere ergeben - aber es kann!
Und sage bitte keiner, er habe die Psyche der Kinder, die (kindliche) Seele vollständig "durchdrungen" und wisse ganz genau, was aus unbekümmertem kindlichen Spiel und aufkommendem jugendlichen Ehrgeiz so alles Gutes wie Schlechtes entstehen kann?! Pervers bzw. verantwortungslos ist die Gedankenlosigkeit, mit der Eltern ihren Kindern kaufen was alle kaufen, sie spielen lassen mit dem alle anderen auch spielen; die nicht hinterfragen, wie Gewalt entsteht, wo sie ihren Anfang hat. Da gebe ich dir Recht, wenn du schreibst, und es "schlimm" findest, "dass es Erwachsene gibt, die das Zeug in Kinderhände geben."
Das Subtile wird leider, leider, leider von vielen unterschätzt (sic!). Eine Spielzeug-Pistole ist eine P I S T O L E - nicht mehr und nicht weniger. (Platzpatronen für eine "echte" Handfeuerwaffe sind auch kein Spielzeug, sie sind nur nicht tödlich. Es kann aber derselbe Schrecken damit verbreitet werden!)
Zu meiner Folter-These im ersten Beitrag möchte ich noch etwas Erklärendes hinzufügen:
Spielen ist aktive Lebensschule; ist die Vorbereitung auf den Ernst des Lebens. Was bereitet Vergnügen und was dient nur dem Zeitvertreib? Damals im Colosseum: Auf den Rängen römische Bürger - vergnügt und bestens unterhalten. In der Arena - Menschen, die um ihr Leben kämpfen. Diese Wettkämpfe waren "passive Folter". Doch sie wurden auch "Spiel" genannt und damit ihre menschenverachtenden Motive verharmlost. Wenn Folter heute teil unserer (westlichen) Lebenswirklichkeit wäre (!), müssten in der selben Logik, in der im Kinderzimmer Spielzeug-Pistolen erlaubt sind auch Folterwerkzeuge erlaubt sein. Also zum Beispiel eine Spielzeug-Streckbank. Oder Spielzeug-Daumenschrauben. Oder ein Spielzeug-Pfahl. Oder ...
Spielen ist bzw. soll noch mehr Vergnügen sein und weniger Ernst. OK! Aber der Ernst ist auch in der Kindererziehung sehr wichtig. Vielleicht sogar noch wichtiger als das Vergnügen. Und er sollte nicht rosarot verpackt daher kommen. Denn an die Realität müssen (!) unsere Kinder herangeführt werden. Abgeschwächt, ja. Und nicht mit den schlimmsten Bildern vor Augen. Doch nur so werden sie zu mitfühlenden, verantwortungsbewussten jungen Menschen.
Kinder können mit dem "Ernst spielen". So tun als ob. Ein Feuerwerkskörper muss aber als das bezeichnet werden, was er ist: ein nicht ungefährliches "Ding", dass der Belustigung, dem gesellschaftlichen Vergnügen, der Schau, dem Ritual des "Geister-Vertreibens" u.v.a.m dient. Aber nicht dem Spieldrang. Er ist kein Spielzeug!
Ich wünsche mir verantwortungsbewusste Spielwarenhersteller und -händler, die "Spielzeug" nicht nur als Geschäft betrachten, sondern als Wegweiser in eine lebenswerte, friedliche Zukunft.
Utopische Grüße
Gead