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Polis: Gleiche Spielstrategien?

Taktiken und Winkelzüge: Wie gewinne ich Spiel XY?
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Sempre
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Polis: Gleiche Spielstrategien?

Beitragvon Sempre » 1. Mai 2014, 10:29

Hallo,

ich überlege mir gerade Polis zuzulegen, habe aber vorab noch zwei Fragen an erfahrene Polis-Spieler.

Erstens: Das Spiel ist ja recht asymmetrisch angelegt. Kommt man irgendwann dahin, dass jeder grenzdebile Sparta-Spieler jeden Einstein in Athen abreibt (oder umgekehrt), will sagen, mit ein wenig Erfahrung der Spieler, ist das Spiel tatsächlich so gut austariert (man kann es sich kaum vorstellen, wenn man das Spielbrett sieht), dass man mit beiden Seiten gleichwertige Gewinnchancen hat?

Und zweitens: Kristallisiert sich mit ein paar Spielen Erfahrung nicht eine ewig gleiche Strategie heraus, à la ich eröffne immer so, dann spielt mein Mitspieler immer dies, daraufhin gehe ich immer dahin und mein Mitspieler kontert immer so. Hat man tatsächlich mehrere strategische Spielmöglichkeiten und damit meine ich natürlich sinnvolle Spielmöglichkeiten oder ist man durch den Zwang der Ressourcenbeschaffung nicht doch nach einer anfänglich sicherlich vorhandenen Lernphase relativ stark auf eine Strategie festgelegt, weil man die Ressourcen halt nicht beliebig überall bekommt?

Vielen Dank schon mal für Eure Antworten

Gruß

Sempre

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Dumon
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Re: Polis

Beitragvon Dumon » 3. Mai 2014, 09:47

Hi!

Ich hab mich bisher mit Antworten zurückgehalten, da ich hoffte, dass andere da mehr Einblick bieten könnten. Denn obwohl ich die Regeln übersetzt habe, hab ich leider nicht soo viel Einblick, wie vielleicht manch anderer Spieler (ich hab wechselnde Gegner, meist Anfänger).

Meine Antworten können sich deshalb bisher nur auf die Spielkonstruktion sowie Aussagen anderer Spieler (auf BGG) stützen. Aber bevor Du gar keine bekommst...
;-)

Zitat:
"Erstens: Das Spiel ist ja recht asymmetrisch angelegt. Kommt man irgendwann dahin, dass jeder grenzdebile Sparta-Spieler jeden Einstein in Athen abreibt (oder umgekehrt), will sagen, mit ein wenig Erfahrung der Spieler, ist das Spiel tatsächlich so gut austariert (man kann es sich kaum vorstellen, wenn man das Spielbrett sieht), dass man mit beiden Seiten gleichwertige Gewinnchancen hat?"

Das Spiel hat eine recht hohe Einstiegshürde. Nicht aufgrund der Regeln, sondern aufgrund der vielen Möglichkeiten. Und diese ist für den Athen-Spieler noch ein ganzes Stück höher, da die Strategie für den Sparta-Spieler intuitiver ist (Armeen ausheben, über Land marschieren, etc.). Heißt: Solange der Athen-Spieler nich weiß, was er tut, ist es für den Sparta-Spieler nicht schwer, mit ihm den Boden zu wischen.

Das ändert sich aber, wenn der Athen-Spieler dann weiß, wie der Hase läuft. Seine Aufgabe ist es, dem Spartaner von Anfang an schwer zu machen. Denn hat der Spartaner früh eine zu gut funktionierende Infrastruktur, ist er fast nicht mehr aufzuhalten.

Gehen wir aber davon aus, dass beide Spieler gleichermaßen das Spiel beherrschen, und auch wissen, wie Athen "zu spielen ist", dann hängt der Rest tatsächlich nur noch von den Spielern selbst ab. Groupthink und eingefahrene Gleise können hier das Spiel vernichten.
Was ich aber bisher von den sehr erfahrenen Spielern gehört habe (via BGG), ist das Spiel sogar sehr ausgeglichen. Trotz der Asymmetrie.

Oft wird der Vorteil des Sparta-Spielers im Kampf zu Land als Manko genannt - als Grund, warum letztendlich der Athen-Spieler nie würde gewinnen können. Auch das ist mehr Groupthink als alles Andere. Man kann als Athen-Spieler Kämpfen zu Land sehr effektiv aus dem Weg gehen, oder sie sogar zu seinem Vorteil nutzen. Athen hat dahingegen den Vorteil, Sparta vom Handel abzuschneiden, und wenn es das gut hinbekommt, hat Sparta massiv mit Versorgung zu kämpfen.



Zitat
"Und zweitens: Kristallisiert sich mit ein paar Spielen Erfahrung nicht eine ewig gleiche Strategie heraus, à la ich eröffne immer so, dann spielt mein Mitspieler immer dies, daraufhin gehe ich immer dahin und mein Mitspieler kontert immer so. Hat man tatsächlich mehrere strategische Spielmöglichkeiten und damit meine ich natürlich sinnvolle Spielmöglichkeiten oder ist man durch den Zwang der Ressourcenbeschaffung nicht doch nach einer anfänglich sicherlich vorhandenen Lernphase relativ stark auf eine Strategie festgelegt, weil man die Ressourcen halt nicht beliebig überall bekommt?"

Es gibt im Spiel ja pro Runde 1 Ereigniskarte (also vier im Spiel). Das ist zwar nicht viel, kann aber grade die anfänglichen Züge einer Runde etwas beeinflussen. Und diese dann wiederum die folgenden Züge. Schon dadurch kommt Varianz ins Spiel, wenn auch nicht bergeweise.

Der zweite Varianzpunkt sind die Schlachten. Durch den Zufallsfaktor der Kartenhand werden Schlachten nie gleich ablaufen. Die Anzahl danach noch bestehender Einheiten beeinflusst dann aber wiederum die Möglichkeiten im weiteren Verlauf der Runde. Auch das ist ein kleiner Faktor, der verändert.

Der dritte Aspekt sind natürlich die Belagerungen, da auch diese zu einem gewissen Grad zufallsabhängig sind. Auch da verändert sich ggf. die Einheitenzahl.

Wichtigster Punkt hier sind aber vielleicht die drei Projekte in jeder Runde. Diese machen andere Poleis interessant, und können dadurch das Spiel entscheidend verändern. Wenn sie nicht durch Groupthink an den Rand der Spielentscheidungen gedrängt werden. Auch das ist halt immer fraglich. Allerdings werden die Projekte meist erst in den letzten beiden Spielrunden so wirklich ausschlaggebend.


Es gibt natürlich auch negative Stimmen. Gerade letztens wurde hier ein Thread eröffnet, der sich auf eine Rezension bezieht, nach deren Aussage es eine Strategie gäbe, die das Spiel bricht, und die die einzig Sinnvolle wäre:
http://www.spielbox-online.de/phorum4/read.php4?f=1&i=288947&t=288947&
Ich hab in dem Zusammenhang dann einen Thread auf BGG aufgemacht, um zu sehen, was die erfahreneren Spieler denken. Die Antworten bestätigten meine Auffassung (kannst Du im anderen Thread bzw. auf BGG nachlesen - dort verlinked).

Was ich damit sagen will, ist, dass Groupthink einen massiven Einfluss darauf hat, ob das Spiel sich immer gleich entwickelt. Denn Polis ist ein Spiel mit extrem hoher Interaktionsrate, da es zu gleichen Teilen aus Aktion und Reaktion besteht. Wenn also beide Spieler den verändernden Nuancen im Spiel keinen Raum einräumen, wird es womöglich immer gleich ablaufen. Dabei bieten diese Nuancen aber nicht nur Varianz im Spielablauf (und wären damit Selbstzweck), sondern eben auch Strategien, dem Gegenspieler einen Schritt voraus zu sein.


Ich hoffe, das konnte etwas helfen mit der Entscheidung.

Grütze,
Dumon

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Nachtrag

Beitragvon Dumon » 3. Mai 2014, 09:58

Nochmal zur Frage 2, denn das habe ich vergessen:

Oft wird im Spiel gerade die erste Runde ähnlich ablaufen. Eröffnungszüge sind sich deshalb ähnlich, weil beide Spieler versuchen, sich die wichtigen Dinge im Spiel zu sichern. Sparta wird versuchen, nach Syrakus zu kommen. Athen wird versuchen, die meisten Handelshäfen zu blockieren und dem Spartaner das Leben auf den Meeren schwer machen. Sparta wird Armeen ausheben. Etc.

Entscheidende Unterschiede entstehen erst zum Ende der ersten Runde - wenn dann nicht mehr der "Standard" aufzubauen versucht wird, sondern darüber hinaus auf "das Brett" eingeganen wird. Auf die Projekte, die tatsächlich dann entstandene Situation, den Gegner, etc.
Dies kann zwar auch schon früher passieren, aber spätestens am Ende der ersten Runde wird das Spiel seine eigene Richtung einschlagen.

In den nachfolgenden drei Runden entwickelt sich das Spiel basierend auf den Entscheidungen beider Spieler. Da ist es wie Schach, so ein bisschen. Zwar wesentlich weniger Stellungskrieg, aber genauso interaktiv.


Fazit:
Obwohl ich selbst leider noch kein so erfahrener Spieler bin (etwa ein Dutzend Spiele, aber alle auf nicht allzu hohem Niveau), glaube ich nicht, dass dieses Spiel irgendwann zuende analysiert ist. Da so vieles auf der Aktion und Reaktion des Gegners fußt, und das schon alleine durch die wenigen Nuancen im Spiel beeinflusst wird, die ich im vorherigen Post beschrieben habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass es eine letztendliche Strategie gibt, der man immer folgen wird. Klar wird es immer umkämpfte Orte geben, und klar wird man manche Aktionsketten immer wieder antreffen. Aber dass irgendwann alles nur noch auf das Abspulen eines Programms hinausläuft, das wage ich schwer zu bezweifeln...

Ich hoffe, dass das etwas hilfreicher war...
:)

Grütze,
Dumon

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Re: Nachtrag

Beitragvon Sempre » 3. Mai 2014, 16:10

Hallo Dumon,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Auf jeden Fall hört sich das Spiel sehr interessant an und ich denke wir werden es mal ausprobieren. :-)

Ciao

Sempre

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Re: Nachtrag

Beitragvon Dumon » 3. Mai 2014, 18:56

Macht das.

Und lasst euch nicht durch die hohe Einstiegshürde schocken. Zu Anfang sind die Möglichkeiten überwältigend, und man weiß nicht, was man machen soll. Dann kann es sehr schnell passieren, dass man sich in eine Ecke verrennt, aus der man nicht wieder rauskommt.

Nicht aufgeben - beim zweitenmal wird es schon besser, und beim dritten mal läufts dann hoffentlich schon richtig gut!

Dennoch ein paar winzige Tipps:

- Prestige ist das A im Spiel. Wenn man keins mehr hat, ist man in seinen Handlungen massiv eingeschränkt, und es kann sogar zur Niederlage führen! Daher NIE den letzten Punkt Prestige ausgeben, wenn man nicht einen todsicheren Weg hat, das direkt wieder reinzuholen. Eine Belagerung ist KEINE Garantie - der Würfelwurf kann schiefgehen!

- Der Kampf ist KEINE QUELLE für Prestige. Prestige im Kampf ist eher Bonus, darauf kann man sich nicht verlassen. Kampf ist eine Möglichkeit, Blockaden aufzubrechen oder, manchmal noch wichtiger, dem Gegner Einheiten zu zerstören.

- Nicht mit der Einnahme von Poleis übernehmen! Zu viele Poleis können schnell dazu führen, dass man den gesamten Vorrat an Weizen abgeben muss und trotzdem Poleis verliert, weil sie verhungern. Das KANN zwar eine Strategie sein, sollte dann aber wohl überlegt sein.
Poleis wachsen zu lassen hingegen ist nicht nur eine Quelle von neuen Bevölkerungssteinen, sondern kann auch wichtiges Prestige verleihen.

- Nicht vorschnell auf Glück vertrauen. Der Würfel kann bei Belagerungen wohlgesonnen sein, aber er kann auch alles zunichte machen.

- Weizen ist das O im Spiel. Wenn man nicht genug hat, verliert man Poleis, und damit die Möglichkeit, in den Gebieten Tribut zu fordern. Man bringt sich zudem ggf. auch um Prestigepunkte (durch mögliches Wachstum) etc.
Auf jeden Fall sicherstellen, dass man für das, was man machen will, genug Weizen bekommt!


Das sind die wichtigsten Punkte, an denen es im ersten Spiel zu massivem Frust kommen kann. Alles Weitere findet sich...

Viel Spaß!
Dumon


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