Anzeige

Wie politisch korrekt darf / muss ein Kinderspiel sein, um am Markt bestehen zu können?

Das ehemalige spielbox-Kinderspielforum
Benutzeravatar
kleinerpoet
Brettspieler
Beiträge: 68

Wie politisch korrekt darf / muss ein Kinderspiel sein, um am Markt bestehen zu können?

Beitragvon kleinerpoet » 17. Oktober 2010, 23:15

Hallo, Leute!

In einem Interview von REICH DER SPIELE sagt die Spieleautorin Britta Stöckmann ( http://www.reich-der-spiele.com/specials/Britta-Stoeckmann-ueber-Expedition-Sumatra )unter anderem Folgendes:

"(...) Was wäre die Spielewelt ohne die Möglichkeit, seine Mitspieler rauszuwerfen, in den Bankrott zu treiben, sie manchmal gar zu ermorden oder die Niagarafälle hinunterstürzen zu lassen, Hühnern die Schwanzfedern auszureißen, Baumaterialien wegzuschnappen oder zu stehlen, Vampiren Knoblauch in ihre Ruhestätte zu legen, oder auch einfach mal die Welt zu erobern? Wer wollte schon ein Spiel spielen, in dem vor lauter Gerechtigkeit und Moral keinerlei Reibereien auftreten und am Ende alle die gleiche Anzahl Punkte bekämen?"

Der Hintergrund dieser Antwort war die Frage über politische Korrektheit in Spielen. Bei Britta Stöckmann ging es, soweit ich das Spiel bis jetzt einschätzen kann, um ein Familien- und nicht um ein Kinderspiel. - Trotzdem finde ich es interessant, das hier mal im Bereich des Kinderspiels aufzugreifen.

Denn immer wieder gibt es Themen, die Menschen bewegen... oft denken aber Redakteure und / oder Spiele (gross) händler, "so was geht nicht, verkauft sich nicht / machen wir nicht."

Besonders extrem scheint mir der Markt bei Kindern zu sein: Lucky Luke bekam albernerweise irgendwann seine Zigarette - und Markenzeichen - aus dem Mund genommen und dafür einen Strohhalm zwischen die Lippen; bei Asterix und in anderen Comics fliesst niemals Blut und Donald Duck ist ein ungeschlechtlicher Erpel, dessen 'Neffen' sich über Zellteilung vererben, weil man bei der Existenz von Kindern in Comics fragen könnte, wo diese herkämen... ach, wie schrecklich!

Vergleichbares gibt es natürlich ebenfalls im Spielebereich, ohne daß mir auf Anhieb gleich konkrete Negativbeispiele einfallen.

Mich würde nun mal interessieren, ob es Autoren gibt, die mit bestimmten Themen bei Redakteuren genau aus diesem Grunde gescheitert sind; oder umgekehrt Redakteure, die etwas von der politischen Linie Abweichendes gerne mal machen würden, es aber aus Furcht vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes nicht tun.

Freue mich über Antworten und werde Informationen, die den Adressaten schaden könnten, auf Wunsch natürlich vertraulich behandeln.

Schönen Restsonntag noch, Euer Ralf

Benutzeravatar
Frank -Riemi- Riemenschneider
Kennerspieler
Beiträge: 627
Wohnort: Duisburg

Re: Wie politisch korrekt darf / muss ein Kinderspiel sein, um am Markt bestehen zu können?

Beitragvon Frank -Riemi- Riemenschneider » 18. Oktober 2010, 09:57

Kinder sind in vielen Fällen "schmerzfrei".
Ich kann mich an eine Rezension von einem Spiel erinnern, in dem es darum ging, das ein Frosch, Bienen mit seiner Magnetzunge vom Spielfeld wegschnappte. Also quasi gefressen hatte.
Es hat keinen (weder Kinder noch Eltern) gestört. Kein Aufschrei: Die armen Bienen!, oder, der böse, hinterhältige Frosch!
Keiner hat sich darüber Gedanken gemacht, das die kleinen, schuckligen Bienen vor ihren Augen spieltechnisch "ermordet" worden sind.

Wobei es sicher einen Unterschied gibt, ob ich in einem Geschäft stehe und anhand der Aufmachung (Karton/Kurzbeschreibung) als Erwachsener entscheide, ist das was für mein Kind oder nicht.
Oder ich bekomme es zum ausprobieren von einem Kinderspielrezensent und "muss" es mit meinen Kindern spielen.
Im zweiten Fall ist man wohl unkritischer was das Thema angeht.
Das Forum auf einen Blick:
  • Neue Beiträge: http://www.spielen.de/forum/search.php?search_id=newposts
  • Ungelesene Beiträge: http://www.spielen.de/forum/search.php?search_id=unreadposts
  • Suche: http://www.spielen.de/forum/search.php
  • RSS: http://www.spielen.de/forum/feed.php

Benutzeravatar
Wiebke
Spielkind
Beiträge: 4

Re: Wie politisch korrekt darf / muss ein Kinderspiel sein, um am Markt bestehen zu können?

Beitragvon Wiebke » 31. Oktober 2010, 23:37

Hallo

Als erstes Beispiel fällt mir spontan "Beppo er Bock" von Peter Schackert und Klaus Zoch bei Oberschwäbische Magnetspiele (Kinderspiel des Jahres 2007) ein.

Da gab es damals auch Diskussionen darüber, ob es moralisch in Ordnung sei, dass der Bock mit der Kugel angeschossen wurde, um dann wiederum die Spielfiguren zu treffen.
Dazu kam noch die Grafik des Spielbretts, bei der ein Junge mit Steinschleuder im Gebüsch sitzt - symbolisch für die kleine Rampe und die Kugel. Auf Fragen in der Form von "Armer Bock Beppo! Möchte ich, dass mein Kind so was gewalttätiges tut?" gab es häufig Antworten wie: "Ist doch nur die Grafik im Spiel, das macht man doch nicht in real!" oder ähnliches.
Völlig korrekt.
Spiel ist Spiel und Realität ist Realität - und auch wenn beides irgendwie miteinander zu tun hat, sind es doch auch zwei grundverschiedene Welten - und diese können die meisten Kinder meines Erachtens sehr gut voneinander trennen.

Ich stimme Frank zu - Kinder sind bei diesen Fragen nicht so pingelig. Moralisch korrekt oder nicht - hauptsache, das Spiel macht Spaß, ist kurzweilig und bietet mindestens ein spannendes Etwas (wie auch immer das nun genau aussieht - neben Spielmechanismus oft eben auch das Material, z.B. viele der Leogo-Spiele).
Da stören auch selten gruselige Themen oder Figuren. Zuminderst ab einer gewissen Altersgrenze (ca.6-8 Jahren).
Wobei das natürlich auch von Verlag zu Verlag unterschiedlich gehandhabt wird (Zombies und Haba bekomme ich beim besten Willen gedanklich nicht auf einen Nenner).
Bei Drei Magier Spiele sind es die Geister und Kakerlaken. Zoch ist wohl der Verlag, der bisher am häufigsten fäkale Themen hatte (Zicke Zacke gleich zweimal, mit Hühnern und Enten, Fladderadatsch, Los Mampfos), wobei sie ja jetzt mit dem Kackel-Dackel massive Konkurrenz bekommen haben.
Das sind jetzt zwei Verlags-Beispiele aus der aktuelleren Zeit, aber es gab ja auch vorher schon Hühner-mordende Spiele wie "Looping Louie".

Viele dieser Spiele halten sich nun schon geraume Zeit im Verlagsprogramm oder werden auch gebraucht noch gut gehandelt. Scheint also nichts wirklich Abschreckendes dran zu sein - zumindest für den Endverbraucher. Und wenn dem so ist, dürfte wohl auch keiner der verantwortlichen Redakteur um seinen Job bangen müssen, ich denke, da sprechen die Verkaufszahlen für ihre Entscheidungen.

Eines gemein haben jedoch alle Spiele, die mir so auf Anhieb einfallen: Sie haben eine ansprechende, kinder-/familienfreundliche Grafik (die vermutlich auch einen Teil der Brinanz aus der Thematik nimmt), bieten meist großen Spielspaß und bringen damit unsere Kinder (und auch uns) zusammen an den Spieltisch.
Was will man mehr???

Solange sich die Spielewelt noch deutlich genug von der realen Welt unterscheidet, sehe ich persönlich da kein Problem auch mit solchen grenzwertigen Themen (soalnge sie für die Zielgruppe passend ausgearbeitet sind).

Komma mit, Spielen!
Ludo

Benutzeravatar
Gead
Kennerspieler
Beiträge: 153

Politisch korrekt = Durchschnitt

Beitragvon Gead » 1. November 2010, 14:57

Aufgrund der aktuellen Diskussion im Spielerforum zum Spiel "Trollland" (siehe: http://www.spielbox.de/phorum4/read.php4?f=1&i=242747&t=242747&) habe ich mir zu der Frage "Wie politisch korrekt darf ein Kinderspiel sein (...)?" ebenfalls weiterführende Gedanken gemacht.

"Sind wir nicht alle ein bisschen "bluna"?" lautete mal ein Werbeslogan und meinte damit "verrückt". Die Betonung liegt hier allerdings auf "ein bisschen" und lässt sich auf so ziemlich alles übertragen, das ein (angehendes) Mitglied unserer Gesellschaft charakterisieren kann. Sind wir z. B. nicht alle ein bisschen gewalttätig? - Wenn es z. B. darum geht, einer realen und darum lästigen (?) Mücke den Garaus zu machen?!

Wenn "es" (z. B. ein Spiel) nicht unmittelbar einem anderen Menschen Schaden zufügt, wird vieles akzeptiert, oder gar nicht erst wahrgenommen.

Ein Erdbeben ohne Opfer ist die Party beim Hausnachbarn ein Stock höher.

Was ich damit sagen will, ist, dass es immer eine Reizschwelle gibt, wann etwas als zu viel des Guten (oder eben Schlechten) empfunden wird und wann nicht. Aber: ein Erdbeben bleibt ein Erdbeben, eine tote Mücke bleibt eine tote Mücke. Und ein unachtsam niedergetrampelter junger Pflanzentrieb bleibt ein ...

Die Erziehung von Kindern ist höchst diffizil: Abhärtung ist sicher wichtig, um auf den Alltag vorbereitet zu sein; Sensibilisierung ist aber genauso wichtig, um die Stimmen und Bedürfnisse der Schwächeren (und Schwächsten) nicht zu überhören, sie nicht niederzutrampeln (wie einen jungen Pflanzentrieb).

Wieso habe ich diesen Beitrag mit "Politisch korrekt = Durchschnitt" übertitelt?

Mit Durchschnitt meine ich hier keineswegs Gleichgültigkeit. Der Durchschnitt ist vielmehr ein lebendiges Gleichgewicht, das immer wieder gefunden werden muss. Möchte ich ein Kind "abhärten" und auf die weniger schönen Seiten des Lebens hinweisen braucht man andere Bilder, Worte, Spiele wie z. B. einen Stein. Möchte ich ein Kind sensibilisieren, gelingt das sicher besser mit einer Feder. Will ich dem Kind Vielfalt vermitteln, Entscheidungsfreiheit, Toleranz gegenüber Andersartigem usw. brauche ich allerdings Stein UND Feder - darum Durchschnitt. Und darum Gleichgewicht - in das man immer wieder zurückfinden muss. Als Vater bzw. Elternteil bzw. Erziehungsberechtigter bzw. als Autor oder Verleger von Spielen.

Ausgeglichene Grüße
Gead


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 8 Gäste